Zu Beginn der neunziger Jahre brach die UdSSR auseinander. Ehemals unabhängige Staaten lösten sich aus dem Zwangsverband der Sowjetunion, und neue entstanden. Damit ging nicht nur die siebzigjährige Herrschaft der KPdSU zu Ende. In einen grösseren historischen Zusammenhang gestellt bedeutet dieses Ereignis auch den Zusammenbruch eines riesigen Reiches, das sich seit den ersten Zaren in stetiger Expansion befand. Das neue Russland findet sich annähernd in den Grenzen, die Peter der Grosse bei seinem Herrschaftsantritt vorgefunden hatte. Die von ihm vorangetriebene Reform von Armee und Diplomatie machte die gewaltige Ausdehnung des Zarenreiches erst möglich. Das vorliegende Buch zeigt, dass auch Schweizer Auswanderer und deren Nachkommen an teilweise bedeutender Stelle im russischen zivilen und militärischen Staatsdienst ihren Beitrag dazu geleistet haben. Erwähnt sei nur François Lefort aus Genf, dessen abenteuerlichem Leben als engster Vertrauter Peters des Grossen das ganze erste Kapitel gewidmet ist. Dann verdient auch der Waadtländer Antoine-Henri Jomini genannt zu werden, der die Modernisierung der russischen Militärschulen im 19. Jahrhundert einleitete. Schliesslich liess der gebürtige Berner Patrizier Niklaus Ludwig von Stürler bei einem Aufstand antiautokratisch gesinnter Offiziere im Dezember 1825 auf dem Senatsplatz von St. Petersburg sein Leben für den Zaren. In seinem ersten Teil geht das vorliegende Buch den Motiven nach, die die Auswanderer zum Verlassen ihrer Heimat getrieben haben. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Gründen, warum gerade das im 18. und 19. Jahrhundert in Westeuropa doch eher unbekannte Zarenreich zum Auswanderungsziel wurde. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Lebensumständen und der Arbeit der Auswanderer und ihrer Nachkommen in russischen Diensten. Der Bogen reicht dabei vom luxuriösen Leben am Zarenhof bis hin zum tödlich langweiligen, nur durch Alkohol und Kartenspiel unterbrochenen Alltag einer winterlichen Provinzgarnison. Der dramatisch-melancholische Schluss der Darstellung zeigt das Schicksal der Russlandschweizer Offiziere und Diplomaten während der Wirren der Russischen Revolution: Aussichtsloser Kampf gegen die Bolschewiki und die Rote Armee, Tod oder Exil. Nur ganz wenige konnten sich mit den neuen Machthabern arrangieren. Die meisten teilten das Schicksal der russischen Emigranten. Kaum eine Handvoll fand den Weg zurück in die Schweiz, die die Vorfahren Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte zuvor verlassen hatten. Beiträge zur Geschichte der Russlandschweizer, hg. von Carsten Goehrke, Bd. 7 1996. 424 Seiten, 8 Tafeln, Tabellen, Karten und Graphiken.
Jost Soom “avancement et fortune” Schweizer und ihre Nachkommen im Dienst des Zarenreiches
© Jost Soom 2015